Media in Translation · Medienübersetzung und Technische Dokumentation stellen sich neuen Herausforderungen
Die Mobile Dokumentation erobert die Technische Redaktion – Anleitungen auf mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets versprechen einen komfortablen und schnellen Zugriff auf Informationen und zwar orts- und zeitunabhängig. Touch-Gesten und Vorlese-Funktion anstelle von Blättern in Druckanleitungen. Zoom-Funktion anstelle von Brille und Lupe. Multimedia-Elemente wie Videos, Audiodateien oder 3D-Animationen als zusätzliche Möglichkeiten zum traditionellen Text-Bild-Modell. Die DIN EN IEC 82079-1 lässt elektronische Ausgabemedien zu und liefert erste Anforderungen an die „E-Anleitung“. Ob und wann diese mehr als eine Alternative zur gedruckten Dokumentation als Maß aller Dinge sein wird, bleibt abzuwarten.
Wir haben uns gefragt, was dieser Trend für den Bereich Sprachdienstleistung bedeutet. Welche neuen Herausforderungen kommen auf die Technischen Übersetzer zu? Wird die ohnehin schon sehr vielfältige Formatlandschaft um weitere multimediale Dateitypen wachsen, die es zu verarbeiten gilt? Und natürlich interessiert uns, ob die Mobile Dokumentation neue Herausforderungen für die Medienübersetzung bereithält.
Multimedia im Fokus
Multimedia verbindet die traditionellen Einzelmedien wie Text, Fernsehen, Hörfunk, Video usw. zu einem mehrdimensionalen Produkt, das speziell für die (technische) Kommunikation neue Perspektiven bietet. Durch das Umbrechen von traditionellen Inhalten in Multimedia-Kontexte kann der Informationsgewinn entscheidend beeinflusst werden. Die Entwicklung geht rasant voran. Nicht außer Acht lassen darf man die Medienangst, die damit einhergeht. Wichtig ist, dass die Beteiligten – sowohl auf Produzentenseite als auch auf Anwenderseite – multimedial fit sind bzw. werden, um die Möglichkeiten nutzen zu können und zu wollen. Denn nur durch den aktiven Gebrauch gelangt Multimedia zum Erfolg.
Nicht nur die Technische Redaktion wird ständig mobiler und kreiert neue Produkte und Lösungen. Auch die Rolle der Sprache in den klassischen und neuen Medien verändert sich: Texte werden zunehmend mit Bild und Ton kombiniert. Das Berufsbild des klassischen Übersetzers und Dolmetschers hat eine neue Komponente dazugewonnen: die Medienübersetzung (oder auch Multimediaübersetzung, multimediale Translation, audiovisuelle Übersetzung). Im Unterschied zum herkömmlichen Rollenbild des Übersetzers und Dolmetschers liegen die Herausforderungen im Medienbruch zwischen Gesprochenem und Geschriebenem sowie den Kommunikationsformen in den verschiedenen Medien und nicht zuletzt in der Technik.
Medienübersetzung fit für die Zukunft
Auf der Ausbildungsseite hat man den Trend erkannt, so gibt es seit einigen Jahren standardmäßig Vorlesungen und Übungen zu Medienübersetzung während der Translationsausbildung an den Universtäten und Fachhochschulen. Im Jahr 2012 wurde an der Uni Hildesheim der Masterstudienlehrgang „Medientext und Medienübersetzung“ ins Leben gerufen) – der erste dieser Art im deutschsprachigen Raum (www.uni-hildesheim.de/fb3/studiengaenge/ma-medientext-und-medienuebersetzung/).
Wir haben mit Frau Prof. Dr. Nathalie Mälzer, Heyne-Juniorprofessur für Transmediale Übersetzung am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation, Stiftung Universität Hildesheim zum Thema „Medienübersetzung“ gesprochen:
text-it: Was waren die Gründe, den Lehrgang zu starten, und worin liegt der Schwerpunkt der Ausbildung? Wird die Ausbildung gut angenommen?
Nathalie Mälzer: Die Gründung geht auf die Initiative von Frau Prof. Dr. Annette Sabban zurück. In Großbritannien, Spanien und Belgien beschäftigt man sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema Medienübersetzung. Im deutschsprachigen Raum gab es vor 2012 keine vergleichbare Ausbildung. Im Vordergrund stehen der interdisziplinäre Ansatz und der Ausbau der technischen Kompetenzen. Der ursprüngliche Kernbereich der audiovisuellen Übersetzung wurde um die barrierefreie Kommunikation erweitert. Die Kombination von theoretischem Unterbau und Praxisbezug machen den Lehrgang erfolgreich, und die Abgänger erhalten so das notwendige Grundgerüst, um in der schnelllebigen Branche bestehen zu können. Die Nachfrage nach Studienplätzen ist vom ersten Jahr an sehr hoch. Aus der Wirtschaft kommen viele Anfragen, und es gibt zahlreiche Zusammenarbeiten und Forschungsprojekte.
text-it: Genießt der Medienübersetzer mehr Wertschätzung als ein „klassischer“ Übersetzer, und mit welchen Herausforderungen hat er zu tun?
Nathalie Mälzer: Durch die Ausbildung und das Wissen um die technischen Möglichkeiten kann der Medienübersetzer aufklärend wirken und beraten. Wie der Technische Redakteur vereint der Medienübersetzer ein breitgefächertes (Schnittstellen-)Wissen. Der Vorsprung liegt im Know-how. Der Medienübersetzer kann sich besser verkaufen. Dies führt zwangsläufig zu einer wachsenden Wertschätzung.
In der Praxis kommt es zu einer Verschiebung der Aufgaben. Der Übersetzer mutiert zum Redakteur. Während beispielsweise der Übersetzer im Synchronisations-Workflow bisher in erster Linie für die Anfertigung der Rohübersetzung zuständig war, die dann von einem Dialogautor lippensynchron geschrieben wurde, schlüpft der Übersetzer als sprachlicher und kultureller Mittler mehr und mehr in die Rolle des Dialogautors – alles aus einer Hand.
text-it: Ist die Branche schnelllebig? Ändert sich die Software oft? Wie sehen generell die Arbeitsbedingungen aus?
Nathalie Mälzer: Der Trend geht natürlich in Richtung Geschwindigkeit. Die Durchlaufzeiten werden geringer. Um dem zu begegnen, sind Automatisierungsprozesse äußerst wichtig. Auch Medienübersetzer greifen auf Translation Memory-Systeme zurück, um den Output zu erhöhen. Ansonsten ist die Softwarelandschaft nicht schnelllebiger als in anderen Bereichen. Für die Untertitelung gibt es zum Beispiel im Wesentlichen zwei bis drei Produkte, die jährlich upgedatet werden. Spannend bleibt natürlich, wohin es geht. Welche Trends sich in Zukunft in der Branche durchsetzen werden. Beispielsweise erlebt die Live-Untertitelung einen Boom, dies kann bisweilen nur durch den Einsatz von Spracherkennungssoftware abgefangen werden. Oder man denke an die digitalen Untertitel, die im Unterschied zum analogen Fernsehen mit einem eigenen Signal gesendet werden müssen. Dadurch ist es aber möglich, die Darstellung der Schriftzüge attraktiver zu gestalten.
Es gibt aber auch Vorbehalte in Bezug auf Software. Spracherkennungssoftware oder Maschinelle Übersetzung werden mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Humanübersetzer werden aber auch in den kommenden Jahren unersetzlich bleiben. Die Anforderungen an die audiovisuelle Übersetzung sind nicht stereotyp sondern vielfältig. So muss bei der Untertitelung sinnvoll gekürzt werden. Bei der Synchronisation besteht eine der Herausforderungen in der Lippensynchronität.
Man kann durchaus sagen, dass Software die Arbeit des Medienübersetzers erheblich erleichtert. Wichtig ist, dass der Medienübersetzer immer am Ball bleibt.
text-it: Abschließend würde uns noch interessieren, ob Sie eine Zunahme an Anfragen aus den Technischen Redaktionen hinsichtlich Medienübersetzungen feststellen konnten? Werden Medienübersetzer in Technischen Redaktionen gesucht?
Nathalie Mälzer: Unsere Abgänger sind in der Wirtschaft gesucht, vor allem von Synchronisationsstudios. Aber sie kommen in den unterschiedlichsten Branchen unter. Bei international agierenden Unternehmen besteht auf jeden Fall großer Bedarf in der internen und externen Unternehmenskommunikation. Dazu zählen auch Bedienungs- und Betriebsanleitungen. Hier muss die Bild-Text-Komponente funktionieren, denn in der Vergangenheit gab es da Fehler, die bisweilen teuer und peinlich waren.
Eine merkbare Zunahme von Anfragen, speziell aus den Technischen Redaktionen, konnte ich bisher nicht feststellen.
text-it: Wir danken herzlich für das aufschlussreiche Gespräch!
Ausblick
Auch wenn der Anteil aus den Technischen Redaktionen auf die Medienübersetzungen noch nicht spürbar gestiegen ist, hat die Branche rund um die audiovisuelle Übersetzung in den letzten Jahren stark zugenommen und zahlreiche Ausprägungen hervorgebracht. Die klassische Rolle des Übersetzers als Sprachmittler, der einen Text einfach nur Wort für Wort in eine andere Sprache überträgt, ist überholt. Der Übersetzer nimmt zunehmend die Rolle eines Redakteurs mit fundiertem Technikwissen ein. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach dem Preis. Die Tarifmodelle sehen z. B. für das Redigieren von Maschinellen Übersetzungen Wort- und Zeilenpreise mit Fuzzy Match-Abzügen vor. Aber auch eine Aufwandsentschädigung nach Stunden ist zulässig (nach TAUS 2010). Ob mit der Entwicklung eine höhere Wertschätzung der Sprachdienstleistung allgemein einhergeht, bleibt abzuwarten und wird stark von der Überzeugungskraft und dem qualitativen Output der Medienübersetzer abhängen.
Stand: 2014